Intelligenzsiedlung
Schöner Wohnen in Niederschönhausen
Wenn ich ab und an meinen Vater besuche, reizt mich der kleine Umweg über den Fritz-Erpenbeck-Ring. Als Berliner Großstadtkind gönne ich mir ab und an ein wenig Stadtromantik. Die dort stehenden Häuser haben nichts repräsentatives, es sind äußerlich schmucklose Bauten. Aber es sind auch nicht die üblichen Einfamilienhäuser, wie ich sie aus anderen Stadtteilen kenne. Manche haben noch einen Anbau. Nein, kein Schuppen, auch keine Garage, sondern Ateliers für die Bildenden Künstler.
Ich habe hier einiges über die DDR erfahren, in die ich noch kurz vor dem Beitritt hineingeboren wurde. Die noch sehr junge DDR hat hier Anfang der 1950er Jahre spezielle Wohnhäuser für die „schaffende“ Intelligenz errichtet und wenn es Künstler waren, dann eben mit Atelier. So befindet sich an der Ecke zur Waldstraße der Hauskomplex, der speziell für den Bildhauer Fritz Cremer errichtet wurde. Gleich neben dem Berliner Ensemble steht zum Beispiel seine Brecht-Skulptur. Und ein Freund von Brecht lebte auch hier, der Schriftsteller Arnolt Bronnen. Immerhin schrieb Brecht auch seinen Vornamen mit o, l und t (Bertolt). Benachbart fand Heinrich Drake, der Schöpfer des Zille-Denkmals, das ich vom Aufstellungsort am Märkischen Museum kenne, ein neues Zuhause. Und der Namensgeber der Straße wohnte auch hier, mit seiner Frau, der Schriftstellerin Hedda Zinner. Fritz Erpenbeck, ein Schriftsteller und Journalist, war auch als Theaterkritiker tätig und Chefredakteur der Zeitschrift „Theater der Zeit“. Seit der Spielzeit 1948/49 bis zu seinem Tod 1975 ist er zudem Chefdramaturg der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz gewesen. Zu seinen Nachbarn zählten der Schauspieler Horst Drinda, den ich mal in einem DDR-Film gesehen habe, der einst DDR-weit bekannte Zwickauer Bergmann und
wichtige Vertreter der Aktivistenbewegung, Adolf Hennecke, der Sohn des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl, der Architekt Hans Grotewohl, sowie die Schriftsteller Ludwig Renn und Bodo Uhse. Alles Persönlichkeiten, die längst verstorben sind, aber ihre Bedeutung für den Kunst-, Kultur- und Literaturbetrieb der DDR besaßen, darunter auch Wissenschaftler und Musiker, deren Namen ich schon wieder vergessen habe.
Aber dann, eines Tages, doch noch eine Überraschung. Ich hatte sie in Shakespeares Sonetten am BE gesehen. Da stand die Schauspielerin also vor mir, obwohl ihr das angeklebte Bärtchen der Shakespeare-Rolle fehlte: Inge Keller!
Luisa Grittner