Das Klosterviertel
Zu unrecht wenig beachtet
Wer kennt nicht das Nikolaiviertel? Jüngst ist in den Medien auch ab und an wieder vom Marienviertel die Rede wenn es um die Gestaltung und Bebauung rund um die Marienkirche geht. Aber das Klosterviertel?
Nun ja, wird die eine oder der andere einwenden, muss wohl im Umfeld des U-Bahnhofs Klosterstraße sein. Der ist über die U2 gut zu erreichen. Schon allein seine Gestaltung anzuschauen, lohnt das Aussteigen. Sollte mal ein großer Bahnhof werden, deshalb liegen noch Bordsteinkanten für ein drittes Gleis im Boden des Mittelbahnsteigs und es gibt jeweils am Bahnsteigende doppelläufige Treppen, deren es heute nicht bedürfte. Im Zwischengeschoss Ausgang Stralauer Straße sind die Visionen, was stadträumlich alles vom Bahnhof aus hätte erreicht werden können, bildlich dargestellt. Und die Gestaltung nimmt Bezug auf ein bekanntes Ausstellungsstück aus babylonischer Zeit aus dem Pergamonmuseum, da aber nur gegen Eintrittsgeld zu betrachten.
Oben gibt es einiges zu entdecken: die Ruine der Klosterkirche, einst von den Franziskanern gebaut, mit nicht mehr existentem Kloster, das nach der Säkularisation im 16. Jh. eine höhere Bildungsstätte wurde, an der auch einmal Karl Friedrich Schinkel und Otto von Bismarck lernten: das Gymnasium zum Grauen Kloster. Unweit finden sich die einzigen Reste der mittelalterlichen Stadtmauer. Davor, schwer zu übersehen, das kaiserzeitliche Amts- und Landgericht I, dessen imposantes Treppenhaus einen Blick lohnt. In der Waisenstraße befindet sich in einem 1962 nachgebauten Hausensemble – nicht ganz beziehungslos zur Nachbarschaft – ein Lokal mit dem Namen „Zur letzten Instanz“. Die Parochialkirche und der sie einfassende Friedhof ist ein friedvoller Ort, mit vielen restaurierten Grabmälern. Wiederum kaiserzeitlich imposant das Alte Stadthaus, der Erweiterungsbau des Roten Rathauses. Aber auch Nazi-Architektur findet sich, bauliche Zeugen vom einst groß geplanten städtischen Forum um den Molkenmarkt. Am ehem. für die Feuersozietät errichteten Gebäude ist in der Parochialstraße eine Gedenktafel für Ernst Friedrich angeschraubt, den Gründer des ersten Antikriegsmuseums.
Leider hat der Zweite Weltkrieg dem Viertel schwer geschadet. Zudem die Nachkriegsstadtplanung der Hauptstadt der DDR mit der autobahngerechten Grunerstraße. Zusammen mit der Verkehrsader Stralauer Straße und der Stadtbahn schnüren sie das Viertel so ab, das sich fußläufig Touristen nur selten hierher verirren, und BerlinerInnen halt auch nicht. Das sollte sich ändern.
Wir sehen uns.
Im Klosterviertel.
Ralph Hoppe
Stadtführung zum Thema
- Zum Ursprung der Stadt