Unscheinbar die Villa in der Miquelstraße 83. Sie gehört zu einer städtebaulich wirkungsvollen Landhausgruppe auf der Ecke zur Bernadottestraße. Mächtige Bäume und ein Zaun schützen das Gebäude vor neugierigen Blicken.
Am 14. Mai 1970 fiel ein Schuss, hier im Zentralinstitut für soziale Fragen. Er traf den Hausmeister Georg Linke, der lebensgefährlich verletzt wurde, abgegeben von einem der zwei Maskierten, die in die Diele des Hauses eindrangen. Danach stürmten sie zusammen mit Irene Goergens und Ingrid Schubert, die ihnen zuvor die Tür geöffnet hatten, den Lesesaal des Instituts. Es war eine geplante Aktion mit dem Ziel, Andreas Baader zu befreien.
Baader saß in der JVA Tegel seine Reststrafe für Brandanschläge in zwei Frankfurter Kaufhäusern ab. Er kam im Februar mit seiner Lebensgefährtin Gudrun Ensslin heimlich nach Berlin und tauchte in der Wohnung der renommierten linken Journalistin Ulrike Meinhof unter. Meinhof rechtfertigte die Brandstiftungen in Kolumnen der linken Studentenzeitschrift „konkret“ als antikapitalistische Tat. Der flüchtige Baader wurde in einer Verkehrskontrolle von der Berliner Polizei gefasst. Auf Initiative von Ensslin wurde in Meinhofs Wohnung ein Befreiungsplan geschmiedet. Mit dabei war auch Baaders Anwalt Horst Mahler. Man sprach dort über den „bewaffneten Arm einer sozialen Bewegung“.
Ulrike Meinhof und Horst Mahler erreichten in der JVA, dass Baader unter dem Vorwand eines Buchprojekts des Wagenbach-Verlags in Begleitung von zwei Polizeibeamten für Recherchen in die Bibliothek des Zentralinstituts für soziale Fragen fahren darf. Die Befreiungsaktion konnte geplant werden. Goergens und Schubert inspizierten tags zuvor die Räumlichkeiten, das Fluchtauto, ein Alfa Romeo, wurde geklaut, Pistolen besorgt und ein Krimineller engagiert.
Am Vormittag des 14. Mai saßen Baader und Meinhof tatsächlich im Lesesaal des Instituts. Während die beiden Frauen und die beiden Maskierten die Justizbeamten mit Pistolenschüssen überrumpelten, sprangen Andreas Baader und Ulrike Meinhof aus dem geöffneten Fenster in den Vorgarten und fliehen im Alfa Romeo. Zurück blieb der angeschossene Hausmeister, er überlebte. Wer die beiden Maskierten waren, ist nicht geklärt. Möglicherweise war eine der beiden Gudrun Ensslin.
Was danach geschah, veränderte die Republik grundlegend. Baader und Meinhof verkündeten, mit dem bewaffneten Kampf zu beginnen. Die RAF wurde gegründet und überzog das Land mit Terror, bei dem 54 Menschen starben und hunderte verletzt wurden. Der Staat reagierte mit massiven und weitreichenden Mitteln: Rasterfahndung, Anti-Terror-Gesetze, Berufsverbote … Schubert, Goergens und Mahler wurden noch 1970 gefasst, die Anführer der RAF Baader, Meinhof und Ensslin zwei Jahre später. Aber damit war es noch nicht vorbei.

Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!