Der Letzte, der auf diesem Grundstück aktiv etwas getan hat, war wohl der Astronom Fritz Hinderer. Er kümmerte sich vor allem um die Obstbäume, bis er im Sommer 1991 beim Schneiden der Hecke einem Hirnschlag erlag. Er und seine Geschwister Dietmut und Hermann hatten das Grundstück mit der Ruine von ihrem Vater geerbt und wollten sie in den 50er Jahren restaurieren. Von der einst ansehnlichen Villa, die in der Nacht vom 23. auf den 24. März 1944 durch einen Luftangriff schwer beschädigt worden war, blieb nicht mehr viel übrig: Außenmauern, das Eingangsportal, eine Außentreppe, die ins Nichts führt, beeindrucken noch immer. Aber es fehlte den Geschwistern an dem nötigen Geld und sie befürchteten, dass West-Berlin von den Sowjets vereinnahmt werden würde – die „Russenangst“.
Ihr Vater, der Theologe und Publizist August Hermann Hinderer, kaufte einst die um 1904 erbaute Villa. Ursprünglich gehörte sie einem Rentier J. Stein, nach 1928 war sie im Besitz des Evangelischen Presseverbandes (EPD), dessen Direktor Hinderer seit 1918 war. Der Hauptsitz des kirchenunabhängigen Verbandes befand sich gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite. Die Institution gibt es heute noch als Evangelischen Pressedienst (epd) und ist die älteste bestehende Nachrichtenagentur. Hinderer wohnte schon in dieser Zeit in der Villa und richtete dort eine ansehnliche Bibliothek und das Zentralarchiv für evangelisches Schrifttum ein.
August Hinderer galt in den 20er Jahren als der überragende evangelische Publizist in Deutschland und wurde 1927 Honorarprofessor für evangelischen Journalismus. Er und der EPD waren den Nazis ein Dorn im Auge. Von der SA 1933 besetzt, war es mit der Pressefreiheit zu Ende. Hinderer wurde des Amtes enthoben und 1934 von der Gestapo verhaftet. Er konnte zwar später weiterarbeiten, wurde aber von der Gestapo gegängelt und kontrolliert. Aus den eigenen Reihen vermisste er die Unterstützung. Die evangelische Presse wurde mit Verordnungen, Erlassen, Gesetzen und Verboten bekämpft. Zeitweise diktierten die nationalsozialistischen Deutschen Christen die Nachrichten des EPD. 1941 musste der EPD seinen Betrieb einstellen. Der Reichsminister und Hitlers Privatsekretär Martin Bormann bestimmte, dass Nationalsozialismus und Christentum unvereinbar und der Einfluss der Kirchen folglich auszuschalten seien.
1944 brannte die Villa. Die gesamte Bibliothek und die persönliche Habe von Hinderers Familie wurde ein Opfer der Flammen. Besonders bedauerte August Hinderer den Verlust seiner umfangreichen persönlichen Aufzeichnungen. Ein Jahr später starb er in seiner baden-württembergischen Heimat.
Heute gehören die Überreste der Villa der Enkelin. Sie lebt in München und träumt davon, vielleicht doch noch etwas daraus zu machen.
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