Mit Shoppen und Flanieren ist es auch hier gerade schlecht oder zumindest ziemlich umständlich. Das macht jedoch nichts, da es stattdessen um Kunst im öffentlichen Raum geht. Insbesondere am Ku‘damm lässt sich einiges entdecken.
So hat man vielleicht schon einmal vom „Skulpturenboulevard“ gehört. Es sollte eine Ausstellung auf Zeit zur 750 Jahrfeier 1987 in der City West, im damals noch geteilten Berlin, sein. Es war ein nicht unumstrittenes Projekt. Zumindest einige Personen konnten mit dieser skulpturalen Präsentation im öffentlichen Raum wenig anfangen und agierten öffentlichkeitswirksam als Gegenposition.
Selbst wer bisher noch nie von der Ausstellung gehört hat, hat sich möglicherweise schon einmal über die Kunst gewundert, die bis heute am Ku‘damm verblieb, beispielsweise über Wolf Vostells „Zwei Beton-Cadillacs in Form der Nackten Maja“ am Rathenauplatz. Andere Werke sind mittlerweile so eng mit dem Bildgedächtnis der Stadt verwachsen, dass sie als schon-immer-dagewesen wahrgenommen werden, wie die riesige verschlungene Skulptur „Berlin“ von Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff, die wie ein Tor auf der Mittelinsel der Tauentzienstraße steht. Ein beliebtes Fotomotiv ganz am anderen Ende des Boulevards.
Doch es gibt hier noch viele weitere Skulpturen, die nicht mit diesem Ausstellungsprojekt im Zusammenhang stehen. So wurde ebenfalls zur 750 Jahrfeier der Henriettenplatz ziemlich am Ende der Ku‘damms in Halensee vom Architekten Arno Bonanni neu gestaltet. Auch für dieses Projekt wurden Künstler*innen hinzugezogen. Darunter der heute 90jährige Künstler Heinz Mack. In den 1950er und 60er Jahren bildete er gemeinsam mit Otto Piene und später auch Günther Uecker die Gruppe ZERO. Sie zielten auf einen Neuanfang in der Nachkriegskunst. Schlanke Stelen, sich bewegende Rotoren und das Licht kommen bei Mack immer wieder zum Einsatz. Dabei spielt der Raum eine besondere Rolle, so waren seine Werke nicht nur in klassischen Ausstellungsräumen, sondern auch in der Wüste oder der Arktis. Die zahlreichen Skulpturen für den städtischen Raum überraschen keinesfalls.
Auf dem Henriettenpatz realisierte Mack zwei Elemente, die miteinander über die Straße hinweg korrespondieren sollen. Am ehesten fällt der bronzene Obelisk mit einer Höhe von wohl gut 18 Metern auf der Nordseite des Platzes auf. Die Form verjüngt sich nach oben bis zu einem keilförmigen Abschluss. Die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen und die ursprünglich goldbraune Oberfläche hat mehr Patina, als vermutlich gewünscht. Doch gerade gegen Mittag lässt sich gut beobachten, wie die Stele eine Verbindung zwischen Himmel und Boden herstellt. Speziell bei gutem Wetter fängt sich das Sonnenlicht in der Keilform und wird reflektiert. Der Obelisk selbst beginnt zu strahlen. Damit nimmt dieser auch einen Aspekt seiner antiken Vorbilder aus Ägypten auf, wo Obelisken für versteinerte Strahlen oder den Finger des Sonnengottes stehen.
Auf der Südseite des Platzes gestaltete Mack die Kolonnaden, einen postmodernen Säulengang als Wartebereich für den Bus. Die aktuelle umfangreiche Baustelle von Geschäfts- und Wohnhäusern, lässt nur erahnen, wie diese Kolonnaden einmal wirkten. Früher öffnete sich der Platz scheinbar von ihnen ausgehend nach Süden. Unterstützt wurde der Eindruck von der strahlenförmig akzentuierten Pflasterung. Doch auch heute gewinnen die massiven dunklen Säulen an Leichtigkeit durch das goldene Mosaik im oberen Viertel und den darauf ruhenden goldenen kelchförmigen Kapitellen. So kann man auch hier ein spielerisches Zitieren der Antiken, aber auch der Berliner Herrschaftsarchitektur unter den Preußen annehmen. Die Namenspatronin des Platzes ist übrigens Louise Henriette von Oranien-Nassau. Sie war im 17. Jhd. Kurfürstin von Brandenburg durch die Ehe mit dem „Großen“ Kurfürsten Friedrich Wilhelm.
Gut 3,5 km entfernt, am anderen Ende des Ku’damms, realisierte Heinz Mack quasi das Pendant dieses Ensembles. Auch hier installierte er 1987 einen Obelisken, der sich ausgehend von einer 2 x 2 m Grundform auf ganze 35 m erhebt. Direkt an der Tauentzienstraße am Europa-Center steht diese Lichtsäule, welche trotz der anderen Maße sehr dem Obelisken auf dem Henriettenplatz ähnelt. Die schlanke Skulptur muss sich hier gegen markante hohe Fassaden, Leuchtreklame, dekorative Elemente, Schaufenster und vieles mehr durchsetzen. 4550 computergesteuerte Halogenlampen ließen das Objekt bis 2002 in unterschiedlichen Farben aus sich selbst heraus leuchten. Die Oberfläche ist ein goldgetöntes Filterglas. Seit einer Sanierung vor einigen Jahren sind es nun LEDs, die rhythmisch Muster, Buchstaben und Bewegungsmomente auf dem Objekt erzeugen.
Diese beiden Projekte hatten ursprünglich keinen Bezug zueinander, doch Mack setzte mit den Obelisken verbindende Markierungen an beide Enden des Kurfürstendamms.
Während ich an diesen Obelisken bin, bleiben jedoch nur wenige Passanten stehen und nehmen Notiz von ihm. An der Tauentzienstraße schaut ein Mann verwirrt hoch und lässt seinen Blick bis zur Spitzte schweifen, als seine Begleitung unvermittelt auf dem Gehweg stehen geblieben ist, um etwas auf dem Telefon einzutippen. Am Henriettenplatz nutzen die Wartenden den Obelisken gerne als weitere Sitzgelegenheit. Erst mein längeres Verweilen bringt einige dazu genauer hinzuschauen. Ob jemand von ihnen den Zusammenhang zwischen diesen Objekten in der Stadt überrascht feststellt? Vielleicht habe ich irgendwann das Vergnügen diese und die vielen anderen Kunstwerke auf einem Stadtspaziergang vorzustellen. Wer es nicht abwarten möchte, das Wetter wird frühlingshafter, daher viel Spaß beim Entdecken!
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