Mitten in der Stadt Wohnen heißt für mich, ihre Lebendigkeit und Vielfalt jederzeit wahrnehmen zu können. Die Vielfalt Berlins spiegelt sich nicht nur in ihrer Bevölkerung wider, sondern auch in der Gestaltung von Stadtvierteln und ihrer Gebäude. Schulen bilden hier keine Ausnahme und an ihnen kann man sogar die Geschichte, aber vor allem den Stellenwert dieser Einrichtungen in Preußen ablesen, sowie die architektonische Entwicklung von öffentlichen Gebäuden.
Der Architekt Ludwig Hoffman wurde 1896 Stadtbaurat in Berlin und prägte 28 Jahre lang, u.a. mit zahlreichen öffentlichen Bauten, die Architektur der Hauptstadt. Schulbauten bildeten übrigens sein Hauptbetätigungsfeld. Zu seinen bekannteren Werken in Berlin gehören das Rudolf-Virchow-Krankenhaus, das Märkische und das Pergamon Museum, der Märchenbrunnen und das Alte Stadthaus.
Die damalige „240. und 254. Gemeinde-Doppelschule“ ist erst in den 1960er Jahren nach dem Begründer der berühmten Bolle-Meierei benannt worden, der sein unternehmerisches Glück in Moabit gemacht hatte. Für diese Schule hat Hoffman auf einer doppelten Mietshausparzelle in der Waldenserstraße, die sehr tief in die Blockinnenfläche hineinragt, ein Gebäude geschaffen, das an Schlossbauten der Renaissance oder des Frühbarock erinnert. Das entspricht nicht nur dem zeitgemäßen architektonischen Geschmack, sondern unterstreicht auch den hohen Stellenwert der Schulbildung in Preußen.
Die mit vertikalen Sandsteinstreifen gegliederte Putzfassade wirkt fast bescheiden und steht im Kontrast zu dem aufwendig geschmückten Hauptportal in ihrer Mitte. Es wird von zwei Säulen gerahmt, auf denen zwei Bären liebevoll jeweils einem Mädchen das Schreiben und einem Jungen das Lesen beibringen, die damals noch in getrennten Klassen unterrichtet wurden, und so die Freude am Lernen symbolisieren. Dazwischen ist ein großer Balkon zu sehen, ein in der Geschichte der Architektur wiederkehrendes repräsentatives Element, das offensichtlich nicht nur mit der nationalsozialistischen Architektur in Verbindung zu bringen ist.
Das Balkonfenster trägt eine Wappenkartusche mit dem Berliner Bären und steht für den kommunalen Schulträger. Darüber sind noch zwei Eulen zu sehen, die seit der Antike die Weisheit symbolisieren. Bei näherer Betrachtung sind weitere symbolträchtige Tiere in zwei Wappenkartuschen zu sehen: die fleißigen Bienen und die geduldigen Schnecken. Zudem floraler Schmuck und freundliche engelartige Kindergesichter, unter denen Früchtegirlanden hängen. Für mich ist die Botschaft klar: was für ein Glück für Kinder, zur Schule gehen zu können, damals wie heute …
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