Ich fahre nach Weißensee, an die Weißenseer Spitze, der Straßenkreuzung Gustav-Adolf-, Heinersdorfer Straße und Prenzlauer Promenade. Quietschend fährt eine Straßenbahn in die Kurve. Im 3-Minutentakt hält ein Bus vor dem Haus mit der fast fensterlosen Fassade. Kaum einer der aus- und einsteigenden Fahrgäste nimmt den Schriftzug DELPHI wahr, der über der Eingangstür angebracht ist.
Vor mehr als 100 Jahren war Weißensee ein wichtiger Filmstandort. Große Studios standen an der heutigen Liebermannstraße. Dutzende Filme wurden dort zwischen 1913 und 1928 gedreht. Darunter auch ein deutscher Filmklassiker: „Das Kabinett des Dr. Caligari“.
Hier schließt sich ein Kreis. Denn DELPHI war der Name eines Kinos. 1929 war die Eröffnung mit dem Film „Hochverrat“, der im revolutionären Russland spielte. Das Kino hatte 900 Sitzplätze, eine acht Meter breite Bühne und einen Orchestergraben, in dem 13 Musiker Platz fanden. Bis 1959 wurden hier Filme gezeigt, 1962 kam das Aus. Das DELPHI war baufällig, der Abriss geplant. Aber dazu kam es glücklicherweise nicht.
Als Kino hatte das Haus ausgedient. In den folgenden Jahrzehnten wurde im DELPHI mal Gemüse gelagert, mal Briefmarken verkauft oder ein REWATEX-Wäschereistützpunkt eingerichtet. Die Innenräume blieben unverändert. Die markanten Stuckbögen sind noch erhalten, die früher die Leinwand, heute die Bühne einfassen. Das DELPHI ist innenarchitektonisch ein nahezu vollständig erhaltenes Stummfilmkino.Heute ist das Haus ein Zentrum für Theater, Tanz und Performances. Aus dem Namen „ehemaliges Stummfilmkino DELPHI“ wurde „Theater im DELPHI“ – um eine Verwechslung mit dem Kino gleichen Namens im Westteil der Stadt zu vermeiden.
Vor kurzem wurde das DELPHI weltbekannt. Der Innenraum diente in der Fernsehserie „Babylon Berlin“ als Kulisse für einen Nachtclub der 1920er Jahre, für das „Moka Efti“.
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