Bereits am 3. Oktober 1957 wurde Willy Brandt in Nachfolge des verstorbenen Otto Suhr vom West-Berliner Abgeordnetenhaus zum Regierenden Bürgermeister gewählt. Ein Jahr später gewann die SPD haushoch mit 52,6% der Stimmen, die CDU erhielt 37,7%, bei einer sagenhaften Wahlbeteiligung von 92,9%. Eine andere Partei schaffte es nicht ins Parlament – eine völlig andere Situation als heute. Dennoch ging Brandt eine Koalition mit der von Franz Amrehn angeführten CDU ein.
Willy Brandt zeigte sich bereits 1956 als Führungsfigur in der Berliner Politik, als er nach der gewaltsamen Niederschlagung des Ungarn-Aufstands eine der antisowjetischen Demonstrationen in Richtung Botschaft Unter den Linden anführte. Er formulierte deutliche Worte. Als die Demonstration aus dem Ruder zu laufen drohte, gelang es ihm, den Demonstrationszug umzulenken und die Situation zu entspannen. Kurz vor den Wahlen am 7. Dezember 1958 konfrontierte Chruschtschow die Alliierten mit einem Ultimatum, um endlich eine Übereinkunft über den Status Berlins als freie Stadt zu erzielen. Brandt setzte bei den Westalliierten und der Bundesregierung alle Hebel in Bewegung, um die Rechte West-Berlins zu wahren. Sein Motto lautete: „West-Berlin bleibt frei!“
Auch die Schließung der Sektorengrenze von Seiten Ost-Berlins am 13. August 1961 und der Mauerbau fielen in die Amtszeit Willy Brandts. Der permanenten Konfrontation versuchte Brandt zusammen mit seinen engsten Vertrauten Egon Bahr, Heinrich Albertz und Klaus Schütz mit seiner Politik der kleinen Schritte zu begegnen. Das Passierscheinabkommen war eines der Ergebnisse, die es den West-Berlinern ermöglichte, zu Weihnachten 1963 seit langem wieder einmal die Verwandten im Ostteil zu besuchen. Zum Jahreswechsel 1963/64 waren etwa 700.000 West-Berliner in Ost-Berlin zu Besuch. Im Hintergrund spielte sich ein diplomatisches Gerangel darüber ab, wie die Passierscheinstellen in West-Berlin zu besetzen waren. Denn es ging letztlich auch um den Status West-Berlins.
Einer der Höhepunkte war mit Sicherheit der Besuch John F. Kennedys am 26. Juni 1963 und dessen viel beachtete Rede vor dem Rathaus Schöneberg, die in dem berühmten Satz gipfelte „Ich bin ein Berliner“. Schon vorher besuchte Brandt den amerikanischen Präsidenten in Washington und fühlte eine „Geistesverwandtschaft“ zu ihm. Ihm ging es darum, dass Berlin nicht auf ein "zeitgeschichtliches Abstellgleis" gerät. Vor dem Berlin-Besuch gab es einen Streit zwischen Bundeskanzler Adenauer und Brandt, wer Kennedy als erstes die Hand zur Begrüßung reichen und auf der Stadtrundfahrt durch Berlin neben ihm sitzen dürfe. Es war auch Ausdruck der Differenzen zwischen den beiden sehen, die in der Politik gegenüber der Sowjetunion, der DDR und den Westalliierten sehr unterschiedliche Vorstellungen hatten.
In der Zeit als Regierender Bürgermeister formte sich bereits seine neue Ostpolitik, die auf Entspannung und, wie es Egon Bahr formulierte, „Wandel durch Annäherung“ setzte. Es war aber auch ein neuer Glanz spürbar, der sich im Auftreten Willy Brandts und seiner Frau Rut zeigte. Auf dem Presseball 1955 fielen die beiden auf: er im Smoking, sie im weißen Seidenkleid, damals der neueste Schick. In dem Jahr wurde Brandt zum Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses gewählt.
Berlin bekam in dieser Zeit sein Nachkriegsgesicht: Die Philharmonie und die Deutsche Oper wurden gebaut, der Grundstein für die Akademie der Künste am Hanseatenweg gelegt und die U-Bahnlinie 9 eingeweiht (damals Linie G).
Die Wahlen von 1963 fielen noch deutlicher aus: 61,9% für die SPD und 28,8% für die CDU. Die FDP fand mit 7,9% als dritte Partei den Weg ins Parlament. Es war auch ein klares Votum für Willy Brandt. Vor 50 Jahren, im Dezember 1966 trat er von seinem Amt als Regierender Bürgermeister von West-Berlin zurück, denn er ging nach Bonn, um sich in der Großen Koalition unter Kanzler Kiesinger seinen neuen Aufgaben als Außenminister zu widmen. Er sagte damals, dies sei kein Abschied von Berlin, sondern der „Beginn eines neuen Abschnitts der Arbeit für Berlin“. Wenn man seine weitere Politik als Bundeskanzler (1969-1974) und seine Aktivitäten danach in anderen Positionen verfolgt, stimmt das wohl. Als die Mauer geöffnet wurde, war Willy Brandt einen Tag später in Berlin und zeigte seine Verbundenheit mit der Stadt. Und jeder hörte noch den von ihm formulierten Satz, dass zusammen wächst, was zusammen gehört.
Er war ein Stratege mit klaren Zielen. Dabei lagen ihm aber vor allem die Menschen am Herzen, für die er sich einsetzte, gerade in Berlin. Heute spüren wir andere Spannungen in der Stadt und das Wort Gentrifizierung ist in aller Munde. Es ist Thema des Wahlkampfes und der zukünftigen Politik der Stadt.
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